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Empowerment für Selbsthilfe-Gruppenleiter*innen

Seminar für Gruppenleiter*innen in Selbsthilfegruppen, Fachgruppen und Verbänden am 31.08.2019 in Essen

Thema:                Workshop über Empowerment und Gruppenleitung

Veranstalter:       AOK-Team von der DGfT 

Moderation:        Dr. Karen Jahn (Projektleiterin) und Franco Kratzenstein (Projektmitarbeiter)

Dozent:               Herr Bernd Dießelmann  

Herr Dießelmann hat als Dozent viele Veranstaltungen über Selbsthilfe mit Erfolg geleitet. Er hat sich bereit erklärt, eine Veranstaltung für Gruppen­leiter*innen im Bereich Taublindheit und Hörsehbehinderung zu leiten. Damit haben wir mit unserer Inklusionsarbeit wieder einen neuen Bereich dazu gewonnen, und zwar für Fortbildung im Bereich Empowerment. Was bedeutet Empowerment? Das bedeutet, dass wir Strategien für uns als Person oder als Gemeinschaft aneignen, damit wir so selbstbestimmt wie nur möglich leben können und für uns Verantwortung übernehmen. 

Der Vortrag erfolgte mit vollständiger Übersetzung (Lormen, Taktiles Gebär­den, Laut- und Schriftsprache sowie Deutsche Gebärdensprache). Es gab viele neue Wörter und Inhalte. Wir versuchen, eine Zusammenfassung für Euch zu schreiben.

Taubblinde und hörsehbehinderte Menschen nehmen immer mehr am gesell­schaftlichen Leben teil. Hierbei sind Taubblindenassistent*innen als Begleitung wichtig und können zusätzlich den Kontakt zu anderen Menschen herstellen und aufrechterhalten. Dadurch wird der Zugang zu Bereichen wie Politik, Sozialverbänden und Wirtschaft ermöglicht. 

An taubblinde und hörsehbehinderte Gruppenleiter*innen der Selbsthilfe wer­den hohe Anforderungen. Die Fragen sind: Wie können alle Aufgaben taub­blindenfreundlich gestaltet werden? Wie können Termine in Kalender eingetra­gen und gelesen werden? Wer bezahlt die TBAs? Und vieles mehr. 

Was ist aber mit den Gruppenleiter*innen als Mensch? Was ändert sich, wenn man nicht als Freund*in oder Bekannte auf andere Hörsehbehinderte/ Taub­blinde zugeht, sondern als Gruppenleiter*in? Gibt es dann eine Veränderung?

Ja, man verhält sich nun neutraler zu Gesprächsthemen unter Mitgliedern. Wenn sich zwei Mitglieder streiten, dann muss die Gruppenleitung erst her­ausfinden, ob das Streitthema für die Selbsthilfegruppe wichtig ist oder nicht. Wenn beide sich darüber streiten, welcher Fußballverein gut ist und welcher nicht, hat das nichts mit der Selbsthilfegruppe zu tun, sondern ist ein „privates“ Gespräch, und das Streitgespräch sollte außerhalb der Selbsthilfegruppe geführt werden. Was ist aber, wenn die Mitglieder sich streiten, was innerhalb der Selbsthilfegruppe diskutiert wird, zum Beispiel über das aktuelle Teilhabe­gesetz oder Lösungen für einsame Taubblinde und Hörsehbehinderte. Eine Gruppenleitung kennt Möglichkeiten, wie er oder sie mit der Gruppe solche Themen bespricht und die Gruppenmitglieder erfolgreich zusammenführt. 

Alle Gruppenleiter*innen haben eigene besondere Erfahrungen gemacht. Manche Erfahrungen sind gleich und manche verschieden. Viele Gruppen­leiter*innen haben neue Erfahrungen, die dann auch für Gruppenmitglieder interessant sind. Wenn Gruppenleiter*innen die Erfahrungen von ihren Mitglie­dern erzählt bekommen, dann haben wir noch mehr neue Erfahrungen. Die Gruppenleiter*innen müssen prüfen, welche Erfahrungen für die Selbsthilfe­gruppe „wichtig“ sind und welche nicht. Ein Beispiel: Eine taub­blin­de/hörsehbehinderte Person ist einsam und möchten das ändern, aber wie? Eine Selbsthilfegruppe kann neue Kontakte ermöglichen und erklären, was die Person braucht und welche Hilfen und Unterstützung es gibt, z.B. Taub­blin­denassistenz. Wie wird ein Antrag auf Taubblindenassistenz (TBA) beim Integrationsamt gestellt? Wie bekomme ich Kontakt zur TBA? Es gibt durch die Selbsthilfegruppe neue Informationen zu neuen Möglichkeiten, z.B. Stammtische, Ausflüge oder Urlaubsfahrten. Die Personen haben jetzt eigene Erfahrungen gesammelt, wie man aus der Einsamkeit kommt und welche Frei­zeitangebote es gibt. Die Informationen können wieder an andere Taub­blinde/Hörsehbehinderte weitergegeben werden. 

Herr Dießelmann hat neue Wörter erklärt. 

  1. Was bedeutet „Autonomie“ und was „Bewusstsein der Interdependenz“?

Autonomie bedeutet Unabhängigkeit und Eigenständigkeit. Durch neue Möglichkeiten in Selbsthilfegruppen kann die Person aus der Einsamkeit kommen und mit TBA mehr unternehmen und neue Personen kennen­lernen. Die Situation aller Beteiligter im Zeitverlauf ist aber auch mit­einander verbunden (Interdependenz). 

  1. Was bedeutet „human“ und „inhuman“?

Es ist wichtig, gegenüber anderen Menschen Wertschätzung Ehrfurcht und Respekt zu zeigen, weil auch die anderen Menschen Lebewesen sind. Es ist wichtig, human gegenüber anderen Menschen zu sein und sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen und nicht als wertlos zu behan­deln (inhuman). 

  1. Was bedeutet „Freiheit“?

Es bedeutet, dass freie Entscheidungen getroffen werden können. Aber es gibt Grenzen, die durch die eigene Person und die Gesell­schaft/Umwelt gesetzt werden. Eine Erweiterung dieser Grenzen ist möglich. Unser Maß an Freiheit ist begrenzt, wenn wir z.B. krank sind und unter Gewalt und mangelnder Entwicklung leiden. 

Es gibt 7 Tugenden, also positive Einstellung für Menschen:

  1. Weisheit (Verständnis von Zusammenhängen, Lösungen finden)
  2. Mäßigung (nicht im Übermaß leben, nicht übertreiben)
  3. Gerechtigkeit
  4. Tapferkeit (Mut)
  5. Glaube (nicht nur Religion)
  6. Liebe
  7. Hoffnung

Diese Tugenden bilden die Qualität der Werte unseres Lebens.

Herr Dießelmann hat uns zum Abschluss, Informationen zum Thema „Identi­tät“ (Wer bin ich?) und zum Umgang mit Krisensituationen genannt. Beim Umgang mit Krisen sind folgende Aspekte wichtig: 

  • Akzeptanz (mit etwas oder jemandem einverstanden sein, annehmen)
  • Optimismus („Ich werde eine Lösung, eine Möglichkeit finden.“)
  • Positive Selbstwahrnehmung
  • Orientierung auf die Lösung 
  • Verlassen der Opferrolle („Ich kann selbst etwas tun.“)
  • Übernehmen der Verantwortung für das eigene Leben
  • Selbstwirksamkeit („Ich kann etwas schaffen, bewirken.“)
  • Neue Netzwerke aufbauen (neue Kontakte)
  • Zukunft planen und gestalten

Vielen Dank an Herrn Dießelmann! Die besten Wünsche und ein gutes Zusammensein für alle!

Bericht von: Franco Kratzenstein und Dr. Karen Jahn